Sicherer Hafen

Konservativer Backlash trifft chronischen Ruf nach Reform – moderne Ambivalenz zeitigt Angebot und Nachfrage in wenig greifbaren Produkten. Wenn also die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme vermeintlich wanken, wächst die Kreativität bei betrieblichen Versicherungen. Doch treten Arbeitgeber damit nicht eigentlich in eine vormoderne Rolle ein? Überspannen sie nicht ihren Einflussbereich und machen sich zu willfährigen Handlangern von Politik und Finanzwirtschaft? Was bedeutet dies für die Belegschaft?

Versicherung – das klingt einfach schon gut. Sicher, unbesorgt, aufgehoben. Wer möchte das nicht? Vor allem heute, wo Despoten die Welt bedrohen, das Weltklima bald ganze Landstriche in die Katastrophe kippt, Pflegeroboter die letzten Bezugspersonen sein werden und sich Leistung zwar meistens nicht lohnt, aber doch die einzig gültige Währung scheint. Wie schön ist es da, wenigstens sonst keine zu Probleme haben, As – se – cura – nz, ohne Sorge zu sein.

Aber gilt das auch tatsächlich für alle? Sind junge Arbeitnehmer heute tatsächlich Weicheier, die sich eher von einer betrieblichen Krankenzusatzversicherung und Riester-Zuschüssen motivieren lassen als von einem flotten Dienstwägelchen? Oder einem Haufen Verantwortung und Geld? Die noch etwas Jüngeren – Teilnehmer der letzten Shell-Jugendstudie – beurteilen zumindest mehrheitlich die gesellschaftliche Zukunft optimistisch. Allerdings reden wir hier von 52 Prozent und einer Ära Prä-Trump. 48 Prozent der jungen Generation sind also in jedem Fall bald dankbare Versicherungskunden, was die Frage nach dem Interesse künftiger Arbeitnehmer für betriebliche Versicherungen in jedem Fall bejahen dürfte.

Also, her mit den betrieblichen Versicherungen. Sie nützen allen: Der Staat ist aus dem Obligo, sich um die Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme allzu sehr scheren zu müssen, die Versicherungswirtschaft hat trotz Nullzins- und Renditepolitik wieder Marktsegmente um Wachstum zu sichern, die Arbeitgeber sparen Sozialversicherungsbeiträge und können ihre Payroll-Mitarbeiter beschäftigen, und die Arbeitnehmer fühlen sich irgendwie gut. […]

Erschienen in „Lohn+Gehalt“, Ausgabe 1/19.