Zu weit gegangen

Es ist allzu leicht, gerade über die Risiken einer globalisierten Wirtschaft, die Grenzen des Wachstums und die neue Notwendigkeit von Solidarität zu sprechen. Doch wer diese formelhaft verwendeten Begrifflichkeiten tatsächlich auf die weltweite Auslagerung von Geschäftsprozessen wie das Payroll Outsourcing herunterbrechen will, muss sich auf das Feld der Wirtschaftsethik bewegen – und findet nach deren Paradigmen womöglich wenig tragfähige Modelle.

„Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.“ Dieser Satz stammt mitnichten aus linksgerichteten Kreisen, sondern aus der aktuell geltenden bayerischen Verfassung.

Das überrascht womöglich sogar Jurist*innen. Denn all zu weit hat sich die Wirtschaft in den vergangenen drei Jahrzehnten von dem gesellschaftlichen Wertesystem entkoppelt, mit der Folge, dass ein solcher Satz wie aus dem System gefallen wirkt. In der Tat ist er es nicht, sondern es ist das System, das aus der geltenden Rechts- und Gesellschaftsordnung gefallen ist, wenn man so will.

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Erschienen in LOHN+GEHALT, Ausgabe 5/2020